Montag, April 18, 2011

INTERVIEW JAN v. SCHENDEL



Hallo Sportfreunde,

wie bereits angekündigt, hatten wir die Gelegenheit zu einem Interview mit dem Coach der NL Nationalmannschaft. Jan v. Schendel stand uns Rede und Antwort - wie er den Angelsport sieht - was er fühlt und denkt... hier erfahrt Ihrs!

- zunächst geht es um das Marcel van den Eynde Memorial in Italien 2011

1.000 Teilnehmer bei einer Angelsportveranstaltung – das muss schon ein einmaliges Erlebnis sein – bitte berichte uns ein wenig von Deinen eigenen Eindrücken zum Memorial 2011

1020 Angler in einem Wettbewerb – dass ist in der heutigen Zeit eine unerhört große Zahl! Dieses Gedenkangeln ist wahrscheinlich der größte Wettbewerb – selbst in Italien. Fürwahr eine brillante Hommage für Marcel van den Eynde, die es auf diese Art und Weise vermutlich nur in Italien geben kann. Was für ein fantastisches Land für den Angler!!! Fast jeder einzelne Angler mit einer erstklassigen Ausstattung. Der höchste Standard, den ich je erleben konnte.


Wer übernahm die Organisation und wie lief das Ganze ab

Der Wettbewerb wird von TUBERTINI, dem großen italienischen Angelsport Unternehmen organisiert. Die TUBERTINI Familie und die Familie Van den Eynde sind schon immer gute Freunde gewesen. Kein Wunder, denn es ist kaum zu übersehen, wie viel Parallelen es zwischen Marcel und Gabriele TUBERTINI, dem Gründer dieses Unternehmens gibt. Aus einfachen Verhältnissen stammend, gingen beide Ihren höchst erfolgreichen Weg in der Angelindustrie – und auch als Angler waren sie „dicke Kumpels“. In Italien vertreibt TUBERTINI das VDE-Futterprogramm bereits seit vielen Jahren / Jahrzehnten. Man kann sich keinen besseren Partner für diese Aufgabe wünschen.


Wie müssen wir uns die Verhältnisse am Ostellato Kanal vorstellen?

Wenn du dich in der Gegend von Ostellato umschaust, könntest Du denken, Du seiest in Holland. Die Landschaft ist ganz flach und der Kanal scheint nahezu endlos. Fast alle Fische, die hier gefangen werden, sind kleine Brassen / Skimmers von rund 200 bis 400 Gramm – in Ausnahmen von bis zu 1,5 kg. Im Laufe der Zeit hat sich der Kanal deutlich verändert – denn noch vor einigen Jahren war das Gewässer für sein großes Vorkommen von Karpfenartigen Fischen / Carassio bekannt – diese sind jedoch völlig verschwunden. Wie überall in Norditalien dominieren nun Brassen, Brassen und nochmals Brassen.
In diesem Jahr waren die Fänge sehr mager und daher kaum mit den Vorjahren zu vergleichen. Ich hoffe, dass der Grund dafür der kalte Frühling in der Region ist, aber ich würde mich nicht wundern, wenn wir auch hier den Kormoran als Hauptgrund dafür ausmachen müssten!



Welche Angeltechniken hatten während des Memorials die Nase vorn und was kannst Du in Punkto Technik und Taktik sonst noch verraten?

Sowohl Pole-Techniken als auch das Waggler Angeln spielen hier eine Rolle, und mit beiden Systemen wurden Sektoren gewonnen. Es fällt schwer, hier eine Prognose zu stellen welches nun die bessere Methode war. Was mir sehr gut gefiel war das italienische System von nur 10 Plätzen je Sektor – und das über den gesamten Parcours. (Anmerkung – das bedeutet bei 1020 Teilnehmern – 102 Sektoren!!!) Kein Wunder, dass viele der Top-Namen Ihre jeweiligen Sektoren gewannen. Ja, dieses System der Wertung ist sehr hart, aber es war auch sehr fair. Für mich das fairste System, welches im Matchangeln überhaupt nur möglich ist!
Das Wasser ist nicht tiefer als maximal 3 Meter, sodass an der Matchrute nahezu durchweg fixe Wagglermontagen verwandt wurden. Ich sah nahezu keinen Angler mit dem Slider fischen. Mückenlarven und „Joker“ in Kombination mit einigen Maden sind die wichtigsten Köder. Erstaunlich zu sehen, dass hier kaum Caster verwandt werden.



werfen wir einen Blick voraus auf die Weltangelspiele 2011 - die Klassiker starten hier in Italien bekanntlich am gleichen Gewässer

Wie also denkst über das gewässer - sind die Ergebnisse des Memorials vergleichbar mit denen, die wir im Sommer zur WM erwarten dürfen?

Falls dieses Gewässer sich im Sommer so präsentiert wie in den vergangenen Jahren, wird dies eine der besten Weltmeisterschaften, die jemals stattgefunden haben. Ich erwarte, dass sich die Fanggewichte bis zum Sommer noch verbessern. Gewichte von 10 bis 14 Kilogramm sind hier an der Tagesordnung und dass ist bei der Grösse der Fische und bei einer Angelzeit von 3 Stunden –wie sie in Italien üblich ist- eine ganze Menge. Die große Unbekannte bleibt jedoch die Kormoranproblematik. Dieser Aspekt könnte für ganz andere Verhältnisse sorgen – und schon gehen die Fangergebnisse gewaltig in den Keller. Das wäre wirklich schade, denn dass, was ich bei den vorangegangenen Memorial Fischen in 2009 und 2010 sah, war aus angelsportlicher Sicht schon etwas ganz besonderes. Dass gehörte zum Besten, woran ich mich in Sachen Matchangeln überhaupt erinnern kann – und die kommende WM war seit dieser Zeit permanent in meinen Gedanken präsent.

Wie sind Deine Erwartungen für die kommende WM wer sind die Favoriten an diesem Wasser und wie schätzt Du die Chancen Deines Teams Oranje ein?

Es gibt sicher viele Favoriten bei dieser Art der Brassen Angelei, denn das ist etwas, was vielen Nationen im Blut liegt. Als Favoriten müssen natürlich auch hier wieder zunächst die Engländer erwähnt werden. Dicht gefolgt von Italien, Ungarn (sie werden hier extrem gefährlich – stark sein) und definitiv Belgien. Natürlich gilt es auch Polen, Frankreich und Tschechien zu beachten. Es wird interessant sein zu sehen, wie unser Team Oranje mit den Verhältnissen umgehen wird. Ich denke, dass uns diese Art des Angelns liegt. Wir werden sehen. Ich sehe die Dinge stets in einer größeren Perspektive. Ich glaube, wir sind nun auf dem Weg zu besseren Zeiten – verglichen zu den letzten 20 Jahren. Wir haben jetzt eine gute Mischung aus jüngeren Angler und "Erfahrung". Ich fühle, dass unser gegenwärtiges Team so gut ist wie wir ein Team in Holland derzeit haben können. Jetzt ist es an uns, zu beweisen, dass dies auch gut genug ist. Die nächsten fünf Jahre werden für unsere weitere Entwicklung sehr wichtig sein.

werfen wir einen Blick auf das Angeln in den Niederlanden

Falls Du die Chance hättest am System oder an den Gesetzen der Niederlande -den Angelsport betreffend- etwas zu ändern, was wäre dass?


Wir haben sicher noch viele Probleme zu lösen und Dinge zu verbessern. Positiv ist zu vermerken, dass in den letzten Jahren schon Vieles verbessert wurde. Ohne diese Verbesserungen wäre es für mich unmöglich, meine Arbeit in dieser Form auszuüben. Ich investiere fast meine ganze Zeit in das Coaching und ich musste –angeltechnisch betrachtet- eine Menge dafür aufgeben, Dass ist schon ein gewaltiger Schritt – insbesondere wenn man die aktive Teilnahme am Angelsport so sehr liebt wie ich es noch heute tue. Die Grundlage für meinen damaligen Schritt war jedoch gelegt, nachdem die richtigen Hebel in Bewegung gesetzt wurden und ich begann daran zu glauben, dass ich meine Ziele als Coach des Teams Oranje erreichen kann.
Meiner Meinung nach ist es unmöglich auf dem Wege eines Qualifikationsfischens ein best mögliches Team auszuwählen. Ich glaube fest an das System, bei dem die Auswahl alleine über den Trainer erfolgt. Natürlich benötigt man dabei einen ehrlichen und fairen Trainer – doch auch der wird nicht verhindern können, dass es auch stets einige enttäuschte Angler gibt. Der einzige Weg, um die Qualität dieses Systems zu beweisen ist letztlich jedoch der, mit entsprechenden Ergebnissen Heim zu kehren. Wir alle blicken auf zu den Ergebnissen des Teams England – und wir alle bewundern Ihre Angler. Also, warum „kopieren“ wir nicht ihr Auswahl-System? Ihr System ist recht simpel – Sie wählen schlicht und ergreifend Ihre besten Angler. Viele andere Nationen machen es den Engländern einfacher in dem Sie nicht schlichtweg das Gleiche tun.
Natürlich gibt es viele Dinge, die in Holland anders und besser werden können. Das Katapult Verbot ist etwas, das mich "ohne Ende" irritiert. Ein Katapult zur Fütterung von losen Ködern kann wohl kaum als "gefährliche Waffe" eingestuft werden – und ohne dieses Instrument verkommt das Füttern loser Köder schlicht zu einem hoffnungslosen Unterfangen.



Als Coach hast Du sehr viel Bewegung in die NL Szene gebracht. Wenn Du heute auf Deine Arbeit zurückblickst, was ist in Dir haften geblieben und wie siehst Du die Perspektiven in der Zukunft?

Wir haben in Holland derzeit ein Team von insgesamt 5 Trainern und das funktioniert sehr gut. Alle 5 sind sicher sehr engagierte Menschen und gemeinsam kümmern wir uns um die Belange aller Nationalmannschaften – was ein hartes Stück Arbeit ist. Dabei habe ich den Job damals aus purer Frustration übernommen. Als Angler habe ich keinen einzigen internationalen Wettbewerb gefischt, bei dem das Management / Coaching nach meinem Dafürhalten wirklich gut war. Dabei habe ich von je her für das Erreichen eines Internationalen Niveaus (Titels) gefischt – und den o.a. Aspekt trage ich als „uheilbare Wunde“ mit mir herum. Ich werde nicht eher Ruhe geben, bis ich bewiesen habe, dass wir auch in Holland über gute Angler verfügen, die in der Lage sind, gute Ergebnisse auf internationalem Niveau zu erzielen. Ich weiß, dass das über viele Jahre so war. Das Problem waren nicht die Angler selbst, sondern ein schreckliches Management. Es ist schon ein paar Jahre her, da lachten unsere Angelfreunde aus anderen Ländern über uns und unsere Ergebnisse. Ich habe das nie vergessen. Ich kann den Tag kaum erwarten, an dem unser Team dafür Revange nehmen kann.


Zu guter letzt noch ein paar ganz private Fragen


wann werden wir Dich wieder einmal in Deutschalnd sehen?


Man wird mich sicher noch oft in Deutschland sehen wenn ich gesund bleibe. Vor allem der östliche Teil des Landes ist voll mit tollen Gewässern – wir freuen uns immer wieder dort teil zu nehmen. Als Angler komme ich sicher immer gerne - doch vor allem wird man mich mit verschiedenen Nationalmannschaften dort treffen. An diesen Gewässern gibt es für uns noch eine Menge zu lernen.


gibt es eigentlich auch noch ein Zeitfenster, welches Dir für Dein eigenes Angelvergnügen zur Verfügung steht?

Niemand muss Mitleid mit mir haben, weil ich nicht mehr soviel Zeit zum Fischen habe. Seit Ende November 2010 habe ich an ca. 52 Wettbewerben teilgenommen. Hauptsächlich kleinere Angeln. Im Winter sind die Veranstaltungen bei uns meist recht klein, aber die Fischerei ist manchmal fantastisch. In einigen Häfen haben wir sehr viele Plötzen und angeln zielgerichtet darauf. Ich liebe es einfach!
Doch mein Schwerpunkt liegt nun auf dem Coaching. Ich kenne mich nach all den Jahren zu gut. Mein wichtigstes persönliches Ziel im Angelsport (die erfolgreiche Teilnahme auf internationaler Ebene) habe ich ad acta gelegt, denn ich bin mir einfach nicht sicher, ob eine Veteranen-Weltmeisterschaft für mich interessant sein könnte. Wenn ich mir einmal etwas in den Kopf gesetzt habe, gibt es keinen Weg zurück – es sei denn ich habe mein Ziel erreicht – und dieses Ziel verfolge ich nun im Bereich Coaching. Solange ich eine Basis zur Verwirklichung meiner Ideen sehe, werde ich an dieser Arbeit festhalten. Die Verhältnisse in Holland haben sich mit der Verbesserung unserer Teams ebenfalls positiv entwickelt – dies hat mir sicher geholfen, meinem Job mit einer noch größeren Freude nachzugehen.


Wir danken Dir für die Bereitschaft zu diesem Interview und wünschen Dir und dem Team Oranje für die Zukunft viel Glück und Erfolg - vielleicht gibt es ja einen guten Grund und dazu die Gelegenheit, nach der WM in Italien dieses Interview fortzuführen :-)