Teil 2
Nachdem wir also unsere ersten
Fische gelandet hatten, wuchs in uns das Selbstbewußtsein und zeitgleich auch
der Größenwahn, denn mit den ersten Fischen und deren akoraten Enthaken und
Verhaften im Kescher dachten wir ganz anders über unsere Gegner. Diese kochten
auch nur mit Wasser, dass deren Wasser heißer war oder vielleicht besser,
merkten wir sehr schmerzhaft, als wir mit geschwollener Brust zum ersten
Jugendangeln antraten. Nicht nur, dass wir die Jüngsten waren, nein, wir hatten
auch das erbärmlichste Equipment. Alle, wirklich alle anderen hatten nicht nur
eine Rute, sondern mehrere, dazu auch noch verschiedenste Halterungen für
Dosen, in denen man die Köder aufbewahrte. Da wir mit unseren 13 Jahren
nur mit Fahrrädern ausgestattet waren, war auch die Möglichkeit viel Material
zu bewegen recht eingeschränkt. Mit ein wenig Geschick passte ein Angelkoffer,
ein Fang und Setzkescher und ein Eimerchen auf den Gepäckträger, eine Tüte mit
dem Toastbrot und dem Paniermehl aus dem Diskounter, musste am Lenker befestigt
werden und dann kam die Paradedisziplin: Die Rute in einer Hand, den Lenker in
der anderen und die wackelige Fahrt zum Wettkampfweiher begann. Nicht dass man
jetzt glaubt, dass Aachen ein plattes Land ist, nein, ganz im Gegenteil, es
geht eigentlich nur rauf und runter. Der Balanceakt war ganz schön anstrengend,
denn wegen des Koffers auf dem Gepäckträger durfte man nicht zu stark hin und
her schwanken, ohne dass er herab fiel, und das alles nur mit einer Hand am
Lenker. Unsre Konkurrenz wurde meistens von ihren Eltern mit dem Auto gebracht,
oder besaß Mofas, die mit einem Transportanhänger bestückt waren .Aber zurück
zur ersten Abreibung: Mit Verwunderung stellten wir fest, dass einige nicht nur
selbst gefangene Würmer und gekaufte Maden als Köder hatten, sondern
selbstgemachten Teig mit Anis oder Vanille, dunkles Paniermehl aus bunt
bedruckten Tüten, Käsewürfel und sogar Mais zum Weiher brachten. Da unser
Taschengeld gerade mal zur Aufstockung unserer Schwimmer, Haken und Bleie
ausreichte, waren Ausgaben für so viel Vielfalt einfach nicht drin. Nichts
desto Trotz, dachten wir, dass nach unseren erzielten Erfolgen ,wir nun
doch ernst zu nehmende Gegner seien. Weit gefehlt !!!! Im ersten Jahr der
Jugendangeln waren die letzten Plätze vorprogrammiert und auch in den
Ergebnislisten zu lesen. Was kann man tun ? Weihnachten näherte sich und der
Wunschzettel bestand fast ausschließlich aus Dingen, die für die Angelei ihre
Verwendung fanden. Nächste Saison --- neue Möglichkeiten ;-).In den nächsten
zwei Jahren mauserten wir uns tatsächlich zu Anglern, die aufgerüstet hatten
und auch mit den Fangergebnissen ein Wörtchen unter den TOP-Ten mitreden
konnten. Dann kam ein Jahr der Entscheidung: Ich schaffte es von 6 Jugendangeln
4 mal den 2ten Platz, ein Mal den 3ten und ein Mal den 4ten Platz zu erzielen,
damit lag ich genau einen Punkt hinter dem „König der Jugendangler“. Da ich nun
auch mit mehr Selbstbewußtsein auftrat, verpassten mir die „GROßEN“ einen
Denkzettel. Sie packten mich mit 3 Leuten an den Füßen, drehten mich rum
und ließen mich kopfüber von einem Podest aus langsam in den Weiher eintauchen.
Sie drohten mir damit, falls ich zu stark zappeln würde, lassen wir dich ganz
los. Sie nannten es TAUFE. Da ich ja nun wusste, dass der Jugendkönig nach
dieser Saison zu den Erwachsenen aufsteigen würde, hielt ich meine Chancen für
sehr realistisch im kommenden Jahr aufzutrumpfen ;-). Dieser Zahn sollte mir
aber wiedermals gezogen werden und zwar von dem Jungen, der mir das letzte Jahr
schon die Krone verwehrt hatte. Bei einem Treffen der Jungend war ich wohl ein
wenig zu optimistisch und kündigte an, wohl der nächste Anwärter für den
Jugendkönig zu werden, da der „Alte“ ja nun nicht mehr bei der Jugend
mitfischt. VERDAMMT !!! Nach meiner Ankündigung kam postwendend eine
Ankündigung der ausscheidenden Königs: DU wirst nicht im nächsten Jahr König,
DEIN Bruder wird es !!!! Wie in Gottes Namen sollte mein Bruder dies schaffen
??? Klare Ansage vom scheidenden „König der Jugend“: Ich werde dafür sorgen,
dass dein Bruder jedes Angeln gewinnt. Gesagt --à getan !!!! Diese miese
Gestalt ist tatsächlich im darauf folgendem Jahr zu jedem Jugendangeln
erschienen und hat dafür gesorgt, dass ich wieder nur zweiter in der
Meisterschaft wurde. Den Namen, der ewige Zweite hatte ich mir somit also
wiedermal verdient ;-(. Ist zwar schön, wenn eine Familie ganz weit oben in der
Liste zu finden ist, aber warum nicht mein Name ?
Im nächsten Jahr wurden
sämtliche Fischereigesetze geändert und nun wurde es zur Pflicht, dass jeder
gefangene Fisch nach dem Wiegen, abgeschlachtet werden musste, dies
wiederum wiedersprach aber meiner Überzeugung und deshalb blieb ich von nun an allen
Wettkämpfen fern. Mein Zwillingsbruder war da wesentlich diplomatischer, er
ging zu den Wettkämpfen hin, zeigte den Erwachsenen, wie man Fisch fängt, aber
wenn es ums Wiegen ging, hatte er seine eigene Methodik... und fand einen legalen Weg, die Fische am Leben zu halten...
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